Vom Stellenwert der Mode – Im Gespräch mit Autorin Ulrike Sosnitza

Vom Stellenwert der Mode – Im Gespräch mit Autorin Ulrike Sosnitza

10. September 2021 Leben & Konsum 0

 

Die ganze Welt hält den Atem an – steht still. Wie es ist, während einer Pandemie Figuren und deren Geschichte in einer scheinbaren Parallelwelt Würzburgs entstehen zu lassen und daraus einen Roman mit dem Titel „Die Glücksschneiderin“ zu kreieren, der sich mit dem Thema Mode beschäftigt, erzählt die Würzburger Autorin Ulrike Sosnitza im Interview.

1. Frau Sosnitza, wie war es für Sie, mitten im Corona-Lockdown eine Geschichte zu schreiben, die vor der Pandemie spielt?

Anfangs fand ich es schwierig, mich zu konzentrieren und in der Geschichte fallen zu lassen, aber dann entwickelte sich mein Schreibtisch zum Fluchtort vor der Wirklichkeit und ich habe alles, was ich vermisste – Freunde, körperliche Nähe, Cafés, Feiern – in die Geschichte geschrieben.

2. In ihrem neuen Roman geht es um das Thema Mode und Nachhaltigkeit. Die Fast-Fashion-Industrie boomt und produziert trendbezogene Kleidung zu Niedrigpreisen. Eco-Fashion oder Ökolabels bieten u. a. einen sinnvollen Weg aus dem Wegwerf-Kreislauf, sind aber meist nicht für kleines Geld zu bekommen. Hat umweltbewusste Mode etwas mit dem eigenen Geldbeutel zu tun?

In gewissem Sinne schon. Es hat aber auch viel damit zu tun, wie sehr modische Kleidung und unser Aussehen das Ansehen in der Gesellschaft formt. Hier liegt großes Potenzial für Veränderungen. Man muss nicht auf jedem Instagram-Foto oder bei jedem Anlass etwas anderes anhaben. Dieser Perfektionismus, sich über das Alter der getragenen Kleidung zu definieren, ist ein großes Problem, und unser Aussehen in unserer Konsumgesellschaft hat einen viel zu großen Stellenwert. Die Folgen sind neben Fast Fashion auch Body-Shaming und Ess-Störungen.

3. Was würden sie jemanden mit schmalem Budget raten?

Es gibt preiswerte Möglichkeiten, Kleidung zu erwerben: z. B. Kleiderkreisel zum Tauschen oder Ebay Kleinanzeigen zum Kaufen für Second-Hand-Kleidung. Gerade im Tausch liegt viel Reiz. Tauschpartys unter Freund*innen sind bei jungen Leuten sehr beliebt.

4. In früheren Generationen war es üblich, Dinge jeglicher Art wiederzuverwerten. Viele Verbraucher leben bereits danach. Was muss Ihrer Meinung nach passieren, damit mehr Menschen ihr Konsumverhalten hinterfragen?

Die Modeindustrie. Dass sich die Mode so schnell ändert, liegt nur daran, dass die Modeindustrie ständig neue Dinge auf den Markt wirft. Hosen wärmen und schützen und sehen gut aus, auch wenn sie nicht den allerneuesten Schnitt haben. Ständig neue Modekollektionen in den Geschäften dienen nur dem Absatz und dem Gewinn dieser Industrie.

5. Ein nachhaltiges Leben beinhaltet auch, etwas mit den eigenen Händen zu erschaffen. Wie hat es sich angefühlt, u. a. aus Recherchezwecken, selbst an der Nähmaschine tätig zu werden (da sie zuvor ja gar keine „Näherin“ waren)?

Sehr gut! Ich bin wahnsinnig stolz auf die Sachen, die ich genäht habe, obwohl sie nicht perfekt geworden sind.

6. Was können Sie noch unentschlossenen Nähanfänger*innen mit auf dem Weg geben?

Vor der Anschaffung einer Nähmaschine es einfach mal in einem Kurs ausprobieren – bei der Volkhochschule, bei Schneiderinnen oder einer Freundin, die nähen kann.

Das Interview mit Ulrike Sosnitza führte Corina Kölln. Foto: Gerhard Bayer

Neu erschienen: Die Glücksschneiderin
Eine Einladung zum Nähen

Man liest die ersten Seiten des neuen Romans „Die Glücksschneiderin“ von Ulrike Sosnitza und es ist, als würde man gerade selbst die Türklinke des fiktiven Cafés Maier, das Protagonistin Clara mit ihrer Tante Sonja in Würzburg betreibt, herunterdrücken und eintreten. Verführt vom Duft aus Kaffee und selbst gebackenem Kuchen nimmt man direkt an einem der Tische Platz und lässt sich mitten in Claras Welt und ihre Geschichte hineinfallen. Schaut ihr beim Nähen über die Schulter und lernt zum Beispiel, dass an Damenkleidern aus den 1920er Jahren am Rücken als Verschluss Perlmuttknöpfe angenäht wurden, im Gegensatz zu heute, da übernimmt meist ein verdeckter Reißverschluss diese Aufgabe.
Clara liebt das Nähen und schöne Stoffe. Um das deutlich zu machen, wurde tief in diesem Metier recherchiert. Zahlreiche Erläuterungen über Nähtechniken oder Begriffe aus der Modewelt webt die Autorin Ulrike Sosnitza gekonnt in den Roman ein. Und Clara setzt auf Nachhaltigkeit. Auf einem Flohmarkt entdeckt sie ein besonderes Vintage-Kleid. Begeistert kauft sie es und ahnt nicht, welchen Stein sie damit ins Rollen bringt. Ein paar Tage später steht auf einmal Finn, ihr Ex-Freund, im Café, der auf der Suche nach genau diesem Charleston-Kleid ist, da es einmal seiner Urgroßmutter Mimi gehörte. Die Gefühle von damals keimen in Clara ungewollt wieder auf und sie stellt sich die Frage, weshalb er sie vor Jahren einfach so, ohne ein Wort zu sagen, verlassen hatte und rätselt, was es mit dem überraschenden Wiedersehen auf sich hat. Clara merkt schnell, dass das Schicksal seine ganz eigenen Pläne hat. Corina Kölln